Français Italiano  Deutsch

Alexis Tsipras macht den Etablierten Druck

debatephoto

 

Zehn Tage vor der Europawahl sind die Spitzenkandidaten der großen Parteien gegeneinander angetreten. Inhaltlich gab es wenig Überraschendes. Viel mehr machte der scheinbare Außenseiter eine erstaunlich gute Figur.

von  Nora Jakob

In der letzten großen Debatte zwischen den europäischen Spitzenkandidaten vor der Europa-Wahl ging es heiß her. Das lag allerdings weniger an einer harten inhaltlichen Auseinandersetzung zwischen Jean-Claude Juncker(Konservative), Martin Schulz (SPD), Guy Verhofstadt (Liberale), Ska Keller (Grüne) und Alexis Tsipras (Linke) als viel mehr an der durchinszenierten und damit reizvollen Diskussionsrunde. Die Regeln sind schnell erklärt: Jeder Kandidat hat eine Minute für das Eingangsstatement. Mit sogenannten 'Jokern' können die Kandidaten in 30 Sekunden auf ein Statement eines Kontrahenten noch mal eingehen. Im Hintergrund zählt eine Uhr knallhart die Sekunden herunter - und die italienische Moderatorin Monica Maggioni hält sich überwiegend an die Vorgaben.

Zur Inszenierung gehört auch ein 23 Jahre alter Moderator aus Irland, der für Social Media zuständig ist - und zwischenzeitlich immer wieder Grafiken zeigt: Der Hashtag des Duells #TellEurope liegt schon 20 Minuten nach Start auf Platz 5 der Trending Topics in Deutschland und nach 40 Minuten wurden bereits mehr als 58.000 Tweets weltweit verzeichnet; am Ende der Sendung waren es insgesamt 63.000. Über 90 Minuten rasten die Spitzenkandidaten quer durch sämtliche Themen, die im europäischen Diskurs momentan eine Rolle spielen: Krise in der Ukraine, das Freihandelsabkommen mit der USA, Jugendarbeitslosigkeit und Bankenkrise.

 

Am stärksten in der Diskussion zeigte sich letztlich Alexis Tsipras, griechischer Politiker und Vorsitzender des Synaspismos (SYN), der von der Vereinigten Europäischen Linke/Nordische Grüne Linke aufgestellt wurde. Das Bündnis, das derzeit 18 Parteien aus 13 EU-Ländern umfasst, kann auch wegen der Euro-Schuldenkrise auf Stimmenzuwächse hoffen. Tsipras ist dafür bekannt, gerne einmal gegen die Kanzlerin oder auch gegen den Spardruck auf die Krisenstaaten zu wettern. Am Donnerstagabend zeigt er sich erstaunlich ruhig. In seinem Eröffnungsstatement - er spricht während der Debatte ausschließlich griechisch - sagte er: "Ich komme aus Griechenland, dem Land, das Versuchskaninchen für die stärkste Austerität der europäischen Führung war. Erleben wir in Griechenland nun eine Erfolgsgeschichte oder eine soziale Tragödie?"

 

Der griechische Politiker hatte dabei aber eine scheinbar leichte Aufgabe: Er kommt eben auch aus einem Land, dessen Bürger besonders unter den Steuererhöhungen und dem Schuldenschnitt gelitten haben. Damit hatte er gegen die gestandenen Politiker schon längst gewonnen und vielleicht traute er sich deshalb auch als Einziger einen Angriff auf die "Troika" zu. Ein insgesamt gelungener und auch überraschender Auftritt. Ein kleiner Wermutstropfen ist da nur, dass Tsipras bislang Debatten eher vermieden hat.

Einigkeit herrscht vor allem bei der Ukraine und der Arbeitslosigkeit

Einigkeit herrschte vor allem bei zwei Themen: der Ukraine und der Jugendarbeitslosigkeit. Gegenüber Russland müsse der harte Kurs weitergeführt werden: „Wir müssen sehr ernsthafte persönliche Sanktionen gegen die Leute um Putin verhängen“, sagte der Kandidat der Liberalen, Guy Verhofstadt. Europa experimentiere mit einem Kalten Krieg und das sei ein großer Schritt zurück, sagte Tsipras. Sanktionen bringen wenig, viel mehr müsse wieder auf Diplomatie und Verhandlung gesetzt werden.

Der Deutsche Martin Schulz hingegen, der für die europäischen Sozialdemokraten antritt, sagte: „Falls es nötig ist, sollten harte Sanktionen beschlossen und umgesetzt werden.“ Für einen ähnlichen Kurs in der Ukraine-Krise sprach sich der Luxemburger Ex-Premier ean-Claude Juncker aus, der für die Konservativen antritt. Im Falle einer Verschärfung der Strafmaßnahmen sollten zunächst die Finanzströme zwischen Russland und europäischen Finanzzentren ins Visier genommen werden. Die Spitzenkandidatin der Grünen, Ska Keller, forderte, Waffenausfuhren von Europa nach Russland zu stoppen: „Das muss dringend aufhören.“

Auch beim Thema Jugendarbeitslosigkeit waren sich die Kandidaten weitgehend einig: "Wir brauchen ein Europa der Solidarität und der Menschen", sagte Keller. Jugendarbeitslosigkeit müsse dabei ganz oben stehen, weil wir uns kein Europa leisten können, wo eine ganze Generation verloren geht. Denn die haben die Krise nicht verursacht und müssen nun das Recht auf nachhaltige Arbeitsplätze haben, so die Grünen-Politikerin. Tsipras ging erneut auf die zerstörerische Sparpolitik ein und kritisierte gleichzeitig, dass so wenig Geld für Maßnahmen gegen Jugendarbeitslosigkeit ausgeben wird: "Es sind lediglich sechs Milliarden für die nächsten sieben Jahre eingeplant", bemängelte der Politiker. Juncker, der insgesamt eher unscheinbar blieb, schaffte bei diesem Thema einen der wenigen Glanzpunkte: Wenn wir kein Geld haben, müssen wir zu Ideen greifen. Und die Jugend müsse volle Freizügigkeit genießen, sagte der luxemburgische Politiker.

Bei den Europawahlen vom 22. bis 25. Mai können 400 Millionen Wähler ihre Stimme in den 28 Mitgliedsstaaten abgeben. Junckers EVP liegt zurzeit laut europaweiten Prognosen leicht vor den Sozialdemokraten von Schulz. Allerdings lässt Schulz seinen konservativen Konkurrenten Juncker in der Präsidentenfrage der letzten Umfrage zufolge weit hinter sich: 39 Prozent der Wahlberechtigten in Deutschland sähen Schulz gern als künftigen Präsidenten der EU-Kommission. Vor zwei Wochen waren es noch 33 Prozent.

Originally published: http://www.wiwo.de/politik/europa/eurovision-debatte-alexis-tsipras-macht-den-etablierten-druck/9901190.html

 

 

 

Poker websites gbetting.co.uk/poker sign up bonuses